Vater-Sohn-Projekt mit Ford Taunus
10. May 2023Vater-Sohn-Projekt mit Ford Taunus
10. May 2023Japanische Klassiker: Eine Generationenfrage in der Oldtimer-Szene
Nein, Japaner haben wahrlich immer noch keinen leichten Stand in der hierzulande etablierten Oldtimer-Szene. Auf Messen muss man ganz genau hinschauen, um das eine oder andere Auto aus dem Land der aufgehenden Sonne zu entdecken und meistens sind es dann die Clubs, die die weiße Flagge mit rotem Punkt hochhalten - selten die Händler. Auf Oldtimer-Rallyes sind japanische Klassiker ebenso rare, aber gern gesehene Gäste und auf den meisten, markenoffenen Treffen steigert sich erst langsam die Präsenz von Toyota, Mazda und Co.
Das bedeutet aber nicht, dass es keine Fangemeinde gäbe. Im Gegenteil: Die Szene ist groß, sie ist jung und sie ist bunt. Tuning und Modifikationen gehören hier einfach zum guten Ton. Knallige Lackfarben oder Autofolien schreien förmlich nach Aufmerksamkeit, der Sturz der glänzenden Tiefbettfelgen nimmt bisweilen beängstigende Winkel an und zig Aufkleber auf den Fahrzeugflanken erzählen von den verbauten Tuning-Marken. Das Schöne ist aber: Alles kann, nichts muss! Tuning-Extremsportler und Originalitäts-Fetischisten feiern auf Japaner-Treffen gemeinsam ihre großartige Leidenschaft.
Bisher von großen Veranstaltungen in der deutschen Oldtimer-Szene weitgehend übersehen, hat sich für japanische Klassiker eine eigene Szene entwickelt – ja, fast eine Subkultur, die den durchschnittlichen Pagoden- oder E-Type-Fahrern wohl eher befremdlich vorkommen dürfte. Ebenso wie das unverwechselbare Schnattern der Blow-Off-Ventile von turbogeladenen Boliden wie dem Nissan Skyline GT-R, R34, oder der Toyota Supra, A80. Zugegebenermaßen zwei vorhersehbare Modelle für einen Blogbeitrag über die Faszination japanischer Klassiker. Aber spätestens seit den Fast-and-Furious-Filmen sind ihre Preise förmlich durch die Decke gegangen.
Von der Playstation in die Garage
Und da hätten wir auch schon einen der Gründe, weshalb ein Modell wie der Skyline GT-R gerade bei jungen Autoenthusiasten so hoch im Kurs steht. Der erste Fast-and-Furious-Film spielte im Jahr 2001 weltweit 207 Millionen Dollar ein – ein Riesenerfolg. Die Teenager von damals – mich eingeschlossen – pilgerten in Scharen in die Kinos und fuhren ihre automobilen Leinwand-Helden danach auf der Playstation nach. Die Gran Turismo-Reihe, eine millionenfach verkaufte Rennsimulation, wurde vom japanischen Studio Polyphony Digital entwickelt – und das spiegelte sich auch in der Auswahl der spiel- und sammelbaren Autos wider. Allein die Kleinwagenmarke Daihatsu ist in Gran Turismo 4 (ab 2004) mit mehr Modellen vertreten als BMW. Eine Gewichtung, die ein deutsches Entwicklerteam sicherlich anders vorgenommen hätte.
Doch viel entscheidender als der Erfolg in der Popkultur ist doch, dass diese Autos die in sie projizierten Erwartungen nicht nur erfüllen, sondern oft sogar übertreffen. Bleiben wir mal beim R34. Nicht nur die Coupé-Karosserie sorgt für Herzklopfen bei jedem Car-Guy, sondern vor allem der legendäre 2,6-Liter-Reihensechszylinder (RB26DETT), der offiziell 280 PS an alle vier Räder schickt. „Offiziell“ ist dabei das entscheidende Wort, denn die 280 PS stehen nur wegen eines Gentlemen’s Agreement unter den japanischen Herstellern im Datenblatt. Jeder Prüfstand würde ihn locker jenseits der 300 PS einordnen. Und das Beste? Diese Motoren lassen sich ohne große Mühe auf 500 PS trimmen. Mit etwas mehr Aufwand? Da gibt es Skylines, die mit bis zu 1000 PS aufwarten können. Genau so entstehen Legenden!
Das erwähnte Gentlemen’s Agreement ist übrigens eine dieser typisch japanischen Eigenheiten, die die dortige Autokultur so besonders machen. 1988 einigten sich die japanischen Hersteller darauf, das gefährliche Wettrüsten um immer mehr Leistung zu stoppen. Die Regel: Kein Serienfahrzeug sollte mehr als 280 PS haben oder schneller als 250 km/h fahren. Mal wurde diese Vereinbarung strenger eingehalten, mal etwas lockerer – aber das Abkommen hielt tatsächlich bis 2005 stand.
Kultur und Kuriositäten
Ein ebenfalls wichtiger Teil der japanischen Autokultur sind die sogenannten Kei-Cars. Diese Kleinstwagen, die in Länge und Hubraum beschränkt sind, werden steuerlich begünstigt und können in vielen Präfekturen auch ohne Nachweis eines eigenen Stellplatzes zugelassen werden. Dass es dabei keineswegs nur um Minimalismus geht, beweist der Subaru Libero – ein Kleinstbus, den es in den 90er-Jahren sogar bei uns gab: Platz ist eben in der kleinsten Hütte. Und Modelle wie der Daihatsu Copen oder Suzuki Cappuccino zeigen eindrucksvoll, dass auch auf nur 3,40 Metern Fahrspaß garantiert ist.
Doch die Entwickler von Suzuki haben das Konzept eines sportlichen Kei-Cars 1992 auf ein ganz neues Level gehoben: Mit dem Suzuki Cara und seinem Zwilling, dem unter Mazdas Submarke Autozam vermarkteten AZ-1, präsentierten sie einen Mini-Sportwagen mit Flügeltüren. Gerade mal 3,30 Meter lang, nur 720 Kilogramm schwer und mit 64 PS unterm Blech ist er ein technisches und optisches Kuriosum – herrlich schräg für europäische Augen. Eine Stilblüte, die in der Sonderschau auf der diesjährigen Bremen Classic Motorshow bewundert werden kann.
Technik, die begeistert
Es sind genau diese Stilblüten, diese Sonderwege und technischen Lösungen, die die Faszination für japanische Klassiker ausmacht. Weitere Beispiele gefällig? Wie wäre es zum Beispiel mit Mazdas Wankelmotoren Im 787B triumphierte der rotierende Kolben als erster und einziger Japaner bei den 24 Stunden von Le Mans. Im RX-7 eroberte er die Straße sowie die Tuning- und Drift-Szene und im Eunos Cosmo (eine weitere, ehemalige Mazda-Submarke) die Klasse der Luxus-Coupés. Kein anderer Hersteller hat den Kreiskolbenmotor so konsequent kultiviert wie Mazda.
Honda setzte mit seinen VTEC-Motoren ab 1989 ein echtes Denkmal. Klar, die Idee der variablen Ventilsteuerung war nicht ganz neu, doch die simple, kompakte und preiswerte Konstruktion sowie die beeindruckende Zuverlässigkeit machten den VTEC zu einem echten Meilenstein im Motorenbau.
Dann gibt es noch Subaru, die neben Porsche als einzige Automarke konsequent auf Boxer-Motoren setzen. Mitsubishi, die 1995 als Erste ein Benzindirekteinspritzsystem für Viertaktmotoren in Serie brachten. Oder Toyota, die 1997 mit dem Prius Hybridtechnik massentauglich machten.
Diese Liste ist bei Weitem nicht vollständig, lässt aber schon erahnen, dass die deutsche Oldtimer-Szene immer noch ein wenig auf dem japanischen Auge blind ist. Vielleicht ist es aber auch unser Vorteil, als junge Generation, die mit Fast and Furious, Gran Turismo, dem Anime Initial D, dem Computerspiel Need for Speed und anderen Formaten großgeworden ist, dass wir die Panik, die die deutschen Medien Ende der 70er-Jahre über die günstigen japanischen Importe verbreiteten, die angeblich kurz davor waren, die deutsche Autoindustrie zu zerstören, nicht miterlebt haben.
Denn heute, 50 bis 60 Jahre später, stellen wir fest: Die deutsche Autoindustrie ist nicht tot. Die vielzitierte „Gefahr“ aus Fernost hat sich als Bereicherung für eine bunte, vielfältige Autoszene entpuppt – und als Einstieg für viele motivierte, junge Autoenthusiasten. Ich würde mir wünschen, dass sich das in den etablierten Oldtimer-Formaten hierzulande deutlicher widerspiegelt.
Text: Daniel Endreß